A. Dvořák: Symphonie Nr. 7

„Eben heute habe ich den 2. Satz, das Andante, meiner neuen Symphonie beendet und bin bei dieser Arbeit wieder so glücklich und selig, wie es bisher immer der Fall war und mit Gottes Hilfe auch weiterhin sein wird, denn meine Devise ist und bleibt: Gott, Liebe, Vaterland!“, berichtet Antonín Dvořák Ende 1884 einem Freund. Er spricht von seiner 7. Symphonie in d-moll, Opus 70, „welche aber auch so sein soll, dass sie die Welt in Bewegung versetzt, und sie wird es auch“, schreibt er kurz zuvor in einem Brief. Dvořák, geboren am 8. 9. 1841 in Nelahozeves (Mühlhausen/Moldau), gestorben am 1. 5. 1904 in Prag, hatte in Prag Orgel studiert (1857–59), beherrschte auch Geige und Bratsche. Unter dem Einfluss von Liszt, Wagner und schließlich auch Brahms entstanden ab 1863 unter anderem seine ersten Symphonien, bis er 1884/85 seine siebte komponierte. Sein Verleger Simrock (Berlin) bezeichnete sie fälschlicherweise als die zweite, da die ersten vier überhaupt erst später veröffentlicht wurden und die fünfte von Dvořák 1887 revidiert (und somit als die dritte herausgegeben) wurde. Bezeichnend für das Opus 70 sind zwei Merkmale: die auffallend düstere und aufgewühlte Grundstimmung und das weitgehende Fehlen tschechisch-slawischer Folklorismen. Dvořáks „slawische Periode“ ging zu Ende – er genoss zusehends internationales Ansehen; außerdem befand man sich seinerzeit in Böhmen in einer politisch konfliktreichen Situation: von den Habsburgern beherrscht, stand die tschechische Bevölkerung unter deutsch-österreichischem (westlichem) Einfluss. Diesen Konflikt hatte auch Dvořák auszutragen – einerseits auf internationaler Ebene anerkannt zu werden, andererseits an seiner Heimat keinen „Verrat“ zu begehen.

Die Symphonie komponierte er auf Wunsch der Philharmonic Society in London, wo sie am 22. 4. 1885 (unter seiner Leitung) uraufgeführt wurde. Er hatte sie ab dem 13. 12. 1884 in einem Monat skizziert, schloss die Partiturschrift am 17. 3. 1885 und revidierte sie nach der Uraufführung noch einmal (es wurden 40 Takte aus dem Andante gestrichen).

„Ein Werk von gewaltiger symphonischer Konzeption und Form, dabei von einer seltenen Kraft und ungewöhnlichem Ernst des Inhalts, ein Werk, welches vor allem von Gefühlen […] leidenschaftlichen Sehnens und energischen Ringens nach innerer Klarheit genährt wird. Der erhabene Geist der Kunst Beethovens und Brahmsens führt hier Dvořáks schöpferische Phantasie zu diesem gewaltigen, von Genialität erleuchteten Aufschwung.“ (Otakar Šourek).

In der Musik finden sich Andeutungen an Werke von Beethoven, Brahms und Wagner (wobei Dvořák – wie Brahms – eher Vertreter der absoluten Musik war!) Der erste Satz (d-moll) beginnt und endet in düsterer Hoffnungslosigkeit, nur ein zweites Thema hellt die Stimmung zeitweilig auf. Das Poco Adagio (F-Dur), beginnend mit einem choralartigen Holzbläsersatz, trägt leidenschaftliche wie pastorale Momente, bis es (morendo) schmerzlich ausklingt. Auch das Thema des Scherzo klingt mehr wehmütig als heiter an. Der vorgeschriebene 6/8­Takt wird zeitweilig von einem widersprüchlichen, hemiolischen 3/2­Takt durchbrochen. Gefühle von Schmerz und Bedrohung klingen im vierten Satz durch die immer wiederkehrende Hochalterierung der IV. Stufe an, ebenso Ruhelosigkeit und Kurzatmigkeit. Erst nach einem Ringen durch eine melancholische Kadenz schließt das Werk in einem D-Dur-Akkord.

Susanne Grobholz