Konzert März 2001

Enthusiastische Reaktionen im letzten Jahr — dennoch: Zum Konzert des Jugend Symphonie Orchesters München ist der Herkulessaal nur halb voll. Sollte der Rahmen weniger streng, das Programm mehr auf die Hörgewohnheiten von Jugendlichen zugeschnitten werden? Da ist die Fantasie der Musiker auch gefragt: Wie begeistere ich meine Generation mit dem, was ich mache? Bei dem, was hier geleistet wird, braucht man keinen Laien- und Nachwuchsbonus einzufordern. Alejandro Vila holt mit seinem Orchester einen weichen, samtigen, ebenso riskant durchsichtigen wie glänzend intonierten Klang in den Saal, den viele Gastorchester unter diesen akustischen Bedingungen nicht schöner hätten erzielen können. Vila hat mit Brahms’ Vierter alles andere als den Weg zum einfachen Erfolg angesetzt. Um es mit den Worten von Celibidache zu sagen: „Für vier ganze Bruckner-Symphonien brauche ich weniger Proben als für Brahms Vierte allein!»

Ja, Nervositäten gab’s zuhauf, aber eben auch im zweiten und im Schlusssatz jenes Gelingen, wenn eben alles „aufgeht». Hornpatzer spielen keine Rolle, wo ein Hornquartett sonst so glänzt! Und Violinen, die so zusammen hören, dürfen mehr Portamenti wagen.

Vor der Pause beeindruckte die Berliner Geigerin Julia-Maria Kretz in Dvoràks Violinkonzert. Dass die 21-Jährige eine Urenkelin des Komponisten ist, hätte eventuell mehr Neugierige anlocken müssen. Unabhängig davon wird Kretz sowohl dem virtuosen Anspruch als auch den stilistischen Problemen mehr als gerecht. Dass Dvoràk den ersten und zweiten Satz als Einheit anlegte, deutet die Solistin radikal und zupackend. Sie entdeckt hier, trotz anfänglich mangelnder Rückendeckung des besonders in den Bässen zaghaften Orchesters, quasi eine Rhapsodie im Geist Liszts und eben nicht bloß das bestmögliche Brahmsimitat. Nach solchem Esspressivo braucht es kein „Draufsetzen». Das Finale donnert bei Kretz nicht die ungebrochen idyllischen Melodien auf. In ihrem „Allegro giocoso» komponiert sich Dvorak da von allen Konventionen frei — direkt ins 20. Jahrhundert.

ANTON SERGL